Taking Sides - Der Fall Furtwängler

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Klassik_Fan
Stammgast
#1 erstellt: 22. Apr 2024, 19:49
Hallo zusammen,

heute läuft um 20:15 ein Spielfilm/Drama "Taking Sides - Der Fall Furtwängler"

Inhalt:

"Wilhelm Furtwängler, einer der bedeutendsten Dirigenten, muss sich kurz nach Kriegsende vor einem US-Entnazifizierungsausschuss verantworten. Nach der Machtübernahme Hitlers im Jahr 1933 waren jüdische Künstler gezwungen, Deutschland zu verlassen. Furtwängler blieb und wurde einer der wichtigsten kulturellen Aktivposten der Nazis. Er wird freigesprochen, doch sein Name ist beschädigt."

Für den Fall dass jemand interessiert ist.

An die Moderatoren: Ich weiß nicht wo man so ein Thema im Forum plaziert.

Viele Grüße


Harry
Klassik_Fan
Stammgast
#2 erstellt: 22. Apr 2024, 22:45
Hallo zusammen,

zunächst einmal danke an Michael, dass er den Thread in den Bereich Klassik zurück geholt hat.

Hat sich jemand die Zeit genommen udn den Fiulm gesehen. Ich fand ihn nämlich sehr interessant.
Er zeigte deutlich wie schwierig das Thema ist und offerierte mehrere Sichtweisen.

Vielleicht auch nicht uninteressant und nachdenkenswert: im Nachspann des Filmes wurde gezeigt, dass die Musik die gespielt wurde, von Daniel Barenboim dirigiert wurde.

Mich würden einmal Eure Meinungen zu dem Film interessieren.

Viele Grüße


Harry


[Beitrag von Klassik_Fan am 22. Apr 2024, 22:46 bearbeitet]
arnaoutchot
Moderator
#3 erstellt: 23. Apr 2024, 09:10
Ja, entschuldige nochmals das Missverständnis. Dein erster Post wirkte wie ein reiner Hinweis/Information, aus dem nicht klar hervorging, dass Du auch eine Diskussion über den Film starten willst. Ich verweise generell für Themen aus dem klassischen Bereich, die vermutlich nur einen kurzen Austausch nach sich ziehen oder informatorischen Charakter haben auf den Klassik-Stammtisch-Thread.

Taking Sides kann man wohl auch in der arte-Mediathek anschauen. Ich merke mir das mal vor. In Echtzeit schaue ich schon lange nicht mehr fern ...
Klassik_Fan
Stammgast
#4 erstellt: 24. Apr 2024, 12:34
Hallo zusammen,

jetzt bin ich aber ein bisschen überrascht

So viele Klassikfreunde und keiun einziger hat den Film gesehen?
Oder ist es einfach nur Schweigen?
Gibt es einen Grund dafür?



Viele Grüße

Harry


[Beitrag von Klassik_Fan am 24. Apr 2024, 12:34 bearbeitet]
G.S.Torrente
Ist häufiger hier
#5 erstellt: 24. Apr 2024, 13:42

Klassik_Fan (Beitrag #4) schrieb:

jetzt bin ich aber ein bisschen überrascht

So viele Klassikfreunde und kein einziger hat den Film gesehen?
Oder ist es einfach nur Schweigen?
Gibt es einen Grund dafür?


"Klassikfreund"? Bin ich.
Aber ich war nie ein Freund historischer Interpretationen, insofern stand und steht auch die Person Furtwänglers nicht im Fokus meiner musikalischen Beschäftigung. Gleichwohl kann die Geschichte um seine mögliche Mitwisserschaft an NS-Verbrechen sehr wohl spannend und interessant sein. Dass ein Biopic mit seiner Vermengung von Fakt und Fiktion aus dramaturgischen Gründen geeignet ist, die sich aufwerfenden Fragen ausgewogen und zufriedenstellend zu beantworten, bezweifle ich wiederum. Die "Nürnberger Zeitung", der "Spiegel" und der "Eulenspiegel" zeigten sich wenig begeistert.

Also: Für mich ist der Film auch als "Klassikfreund" einfach von untergeordnetem Interesse.
arnaoutchot
Moderator
#6 erstellt: 24. Apr 2024, 19:52
Ich wollte ihn gestern tatsächlich in der arte-Mediathek anschauen, aber habe ihn dort nicht gefunden. Weiss nicht, vielleicht dauert es etwas.

@Harry: Ich glaube Du überschätzt die Zahl der "so vielen Klassikfreunde". Zumindest an aktiven Klassikfreunden sind wir vielleicht ein Handvoll von 8-10 Leuten, von denen haben vielleicht zwei bis drei Deinen Post gesehen. Und Torrente interessiert der Film nicht. Hmm ...
TomGroove
Inventar
#7 erstellt: 24. Apr 2024, 19:59
arnaoutchot
Moderator
#8 erstellt: 24. Apr 2024, 20:02
Danke. Ich muss schauen, wann ich Zeit habe dafür. 👍
WolfgangZ
Inventar
#9 erstellt: 24. Apr 2024, 21:09
Mich interessiert der Film, offen gestanden, auch nicht. Da muss ich noch nicht einmal negative Besprechungen kennen, wie sie Torrente verlinkt hat.

Ich will keineswegs verhehlen, dass ich von der Beschäftigung mit einem solchen Film bei Weitem mehr Erkenntnisgewinn hätte als von Filmen über Igor Levit, die es bekanntlich gibt und den ich durchaus schätze - ganz zu schweigen von Klatsch über Yuja Wang und Herrn Mäkelä oder Herrn Currentzis. Bei den letzten beiden kommt noch ein Faktor der mangelnden Sympathie hinzu und das Erscheingsbild von Frau Wang benötige ich eigentlich auch überhaupt nicht ... Kopatchinskaja hat zumindest ein erfreuliches Auftreten.

Ein paar Aufnahmen mit Furtwängler besitze ich, viele sind es nicht. Hin und wieder möchte ich auch ein Buch lesen und CDs hören will ich möglichst viele ... Filme, TV - das spielt kaum eine Rolle. Der Tag hat halt leider nur um die 36 Stunden ...

Und jetzt höre ich wieder was. Nichts für ungut !!

Wolfgang
Klassik_Fan
Stammgast
#10 erstellt: 24. Apr 2024, 21:21
Hallo Michael,

ja, Du hast sicher recht, so sehr viele werden es nicht sein, ich hab so mit etwa 15-20 gerechnet.

Ich hatte mal hier im Forum eine ältere Diskussion nachgelesen, die lief, als ich noch nicht aktiv war. Da ging es um Herbert von Karajan, der nicht die gleiche, aber vielleicht eine ähnliche Vergangenheit hatte. (Die Unterschiede sind mir bekannt). Damals war eine ausgesprochen rege Beteiligung und sehr viele, zum Tel auch emotional geführte Beiträge wurden gepostet.

Ich bin, vielleicht aufgrund meines Alters, sehr an Geschichte interessiert und hatte gehofft, dass gerade mit Klassik-Begeisterten ein Austausch möglich gewesen wäre, da einige ja ein ausgesprochen großes Wissen über Künstler und dieihre Musik und Aufnahmegeschichte haben. Ich habe erst heute die Furtwängler Threads hier im Forum durchgelesen und war sehr angetan über die Informationen inbesondere von op111, der auch viele Aufnahmen von Furtwängler aus dieser Zeit kennt.

Und wirklich sachlich geführte Diskussionen finde ich immer gewinnbringend.

Wenn allerdings Torrente, von dem ich ja hochinteressante und vor allem sehr fundierte Beiträge mit einem großen Hintergrundwissen gelesen habe , sagt, dass dieses Thema für ihn nicht besonders interessant ist kann ich das natürlich voll und ganz akzeptieren.

Trotzdem überrascht mich die insgesamt geringe Resonanz.

Viele Grüße

Harry


[Beitrag von Klassik_Fan am 24. Apr 2024, 23:06 bearbeitet]
Klassik_Fan
Stammgast
#11 erstellt: 24. Apr 2024, 21:31
Hallo Wolfgang,

ich hab für meinen Beitrag zu lange gebraucht und sehe erst jetzt Deinen Beitrag.

Da sind wir uns wahrscheinlich nicht unähnlich, ich sehe kaum Fernsehen, höre lieber CD's und lese auch viel.
Von Persönlichkeiten, die mich interessieren und deren Schaffen ich bewundere wie z,.B Mozart, Beethoven und auch Karajan (Ja, ist nun mal so, ich finde er hat einige wirklich großartige Aufnahmen hinterlassen) habe ich eine ganze Reihe sehr verschiednenr Biografien, um möglichst verschiednene Sichtweisen kennen zu lernen.

Wenn aber interessante Dokumentationen über über große Persönlichkeiten der (klassischen !) Musik gesendet werden, wie neulich Maria Callas oder nun Furtwängler, dann zieht es mich doch vor den Fernseher.

Obwohl ich sonst das Glas Rotwein lieber bei einem Klavierkonzert oder einer guten Sinfonie genieße




Viele Grüße

Harry


[Beitrag von Klassik_Fan am 24. Apr 2024, 22:45 bearbeitet]
WolfgangZ
Inventar
#12 erstellt: 24. Apr 2024, 21:44

Klassik_Fan (Beitrag #11) schrieb:


[...] Obwohl ich sonst das Glas Rotwein lieber bei einem Klavierkonzert oder einer guten Sinfonie genieße


Da kommen wir, denke ich bestens zusammen - und bei anderen Dingen natürlich auch. Statt Rotwein habe ich gerade Scheurebe vor mir stehen.

Wolfgang
kempi
Inventar
#13 erstellt: 25. Apr 2024, 08:30

Klassik_Fan (Beitrag #2) schrieb:
Hallo zusammen,………
Mich würden einmal Eure Meinungen zu dem Film interessieren.
Viele Grüße
Harry

Hallo allerseits,
ich höre sehr selten klassische Musik, habe aber den Film gesehen. Er ist imho nicht sehr gut, aber mit exzellenten Schauspielern besetzt und deshalb schon sehenswert. Ich denke er kann Menschen dazu animieren sich mit dem Thema weiter auseinanderzusetzen. Der Film zeigt auch, dass eine Be- und Verurteilung von menschlichem Verhalten auf Basis einer einseitigen Sichtweise nicht gerecht sein kann.
Just my 2 cents
op111
Moderator
#14 erstellt: 30. Apr 2024, 13:37
Hallo zusammen,

der Film ist ja nicht gerade neu.
Er wurde vor fast 20 Jahren hier schon mal diskutiert.

@Klassik_Fan

mit dem Feature "Forensuche" findet man in Sekundenschnelle den 1. Thread vom 18. Nov 2004:
"Taking Sides" alter (und 1. Thread)

Das Stück ist m.W. eine reine Fiktion. Es wurde ein Kammerspiel mehr oder weniger gelungen verfilmt.
Die z.T. hervorragenden Darsteller sorgen immerhin für Aufmerksamkeit.

Ich halte es eher wie WolfgangZ und finde die Auseinandersetzung z.B. mit der Biografie Karajans erhellender.
Viel lieber höre ich allerdings Musik, gelegentlich auch begleitet mit dem Genuß eines guten Rotweins.


Franz


[Beitrag von op111 am 30. Apr 2024, 13:45 bearbeitet]
Klassik_Fan
Stammgast
#15 erstellt: 30. Apr 2024, 15:00
Hallo Franz,

Wenn ich zu einem Komponisten ein neuen Thread eröffne, dann prüfe ich über die Forensuche ob es so was schon mal gab.


Hier war die Sachlage anders.
Ich habe den Hinweis zu dem Film erst ganz kurz vor er Sendung gelesen und habe die Nachricht kurz vor Toresschluß eingestellt,um noch einige zu erreichen, dei das Thema interessieren könnte. Da hatte ich keine Zeit mehr, zu prüfen ob es einen solchen , sehr ungewöhnlichen , Titel schon mal gab.
Wahrscxheinlich hätte ich es wegen des Titels auch nicht versucht
Ich wusste da auch nicht dass deres ein fiktivem Theaterstück beruht. (allerdings erkenne ich viel , was ich aus historischen Querllen bereits erlesen hatte)

Ich hatte auf eine lebhafte, aber anders als bei Karajan, auf eine sachliche Diuskussion gehofft. Diese Hoffnung wurde leider nur sehr bedingt erfüllt.
Schade.

Von Karajan habe ich mehrere Biografien im Bücherschrank, aber von Furtwängler ehrlich gesag (noch) keine.


Viele Grüße

Harry


[Beitrag von Klassik_Fan am 30. Apr 2024, 15:07 bearbeitet]
op111
Moderator
#16 erstellt: 30. Apr 2024, 18:06
Hallo Harry,

du musst dich nicht rechtfertigen.
Ich wollte nur darauf hinweisen, dass dieser Film (erschienen 2001) seinerzeit, zumindest bei seiner TV-Aussendung durchaus wahrgenommen wurde.
Der Film erhebt wie auch das Stück des britischen Autors Ronald Harwood, auf dem er basiert, weder den Anspruch Dokumentation noch Dokudrama zu sein.
Man könnte ihn mit "Amadeus" von Milos Forman vergleichen, wobei
allerdings das Thema weitaus weniger publikumswirksam ist.

Mittlerweile habe zumindest ich den Eindruck, daß einerseits das Interesse an solchen Fragestellungen nachgelassen hat, nicht nur wegen der zeitlichen Distanz, Furtwänglers schwindendem Bekanntheitsgrad sondern auch, weil es bereits vor 25 Jahren in Newsgroups und Foren erbittert, oft unsachlich zu Tode geritten wurde.
Damals hatten dem Vernehmen nach einige Teilnehmer den Eindruck, daß die Anti-Furtwängler-Partei die dagebleibenen Künstler stellvertretend für die aktiven Täter in der Politik abstrafen wollte.


Franz


[Beitrag von op111 am 30. Apr 2024, 18:09 bearbeitet]
Klassik_Fan
Stammgast
#17 erstellt: 30. Apr 2024, 21:34
Hallo Franz,

vielen Dank für Deine Antwort




Mittlerweile habe zumindest ich den Eindruck, daß einerseits das Interesse an solchen Fragestellungen nachgelassen hat, nicht nur wegen der zeitlichen Distanz, Furtwänglers schwindendem Bekanntheitsgrad sondern auch, weil es bereits vor 25 Jahren in Newsgroups und Foren erbittert, oft unsachlich zu Tode geritten wurde.
Damals hatten dem Vernehmen nach einige Teilnehmer den Eindruck, daß die Anti-Furtwängler-Partei die dagebleibenen Künstler stellvertretend für die aktiven Täter in der Politik abstrafen wollte.


Eine sehr treffende Zusammenfassung. Insbesondere den letzten Satz finde ich wirklich hervorragend formuliert


Leider sind hier einige Diskussionen wirklich sehr polemisch. Ich lese mich gerade durch einen alten 10- oder mehrseitigen Thread zu den Mahler Gesamtaufnahmen. Manchmal kann ich nur den Kopf schütteln...



Viele Grüße

Harry


[Beitrag von Klassik_Fan am 30. Apr 2024, 21:35 bearbeitet]
Martin2
Inventar
#18 erstellt: 04. Mai 2024, 05:16
Also ich habe den Film auf Arte gesehen und fand, daß das ein sehr guter Film war. Wobei die Sache mit Furtwängler ja folgende ist: Man kann das Verhalten von Furtwängler im 3. Reich kritisieren. Nur Furtwängler war sicherlich kein dezidierter Nazi. Das einzige, was man ihm wirklich vorwerfen kann, ist, daß er nicht gegangen, sondern geblieben ist. Was natürlich nur grundsätzlich ärgerlich ist, sind Leute, die hier einen Stab über eine Person brechen, ohne selber unter Beweis stellen zu müssen, daß sie sich in der Situation, in der Furtwängler war, anders verhalten hätten.

Ansonsten ist es so: Von Furtwängler existieren ja nur historische Aufnahmen. Und sind diese jetzt im Orkus der Musikgeschichte verschwunden? Na ja, die spannende Frage ist ja, was künstliche Intelligenz am Ende noch aus diesen Aufnahmen machen kann. Das mag dann nicht mehr ganz natürlich sein, aber warten wir mal ab, das kommt noch, da wird es die KI am Ende noch schaffen, eine Furtwängleraufnahme in modernste Klangtechnik "umzurechnen". Damit rechne ich. Die Puristen werden das ablehnen, aber andere am Ende spannend finden.
Hüb'
Moderator
#19 erstellt: 07. Mai 2024, 08:08

Martin2 (Beitrag #18) schrieb:
Na ja, die spannende Frage ist ja, was künstliche Intelligenz am Ende noch aus diesen Aufnahmen machen kann. Das mag dann nicht mehr ganz natürlich sein, aber warten wir mal ab, das kommt noch, da wird es die KI am Ende noch schaffen, eine Furtwängleraufnahme in modernste Klangtechnik "umzurechnen". Damit rechne ich. Die Puristen werden das ablehnen, aber andere am Ende spannend finden. :prost

Das ist - wenn auch off-topic, in der Vertiefung - eine wirklich spannende Frage. Eine KI-basierte Transformation "historischer" Dirigenten hin zu moderner Klangtechnik. Auch könnte man die Eigenheiten verschiedener Orchester oder Säle simulieren.
Welchen Wert so etwas hätte, darüber kann man trefflich streiten. IMHO nur als Gedankenexperiment, denn es wären eben "Aufnahmen", die nicht Authentisch, nicht "durch die Realität bestätigt" sind.


[Beitrag von Hüb' am 07. Mai 2024, 08:10 bearbeitet]
flexiJazzfan
Inventar
#20 erstellt: 07. Mai 2024, 12:33
Ich finde den Einstieg in eine Diskussion, die ganz offensichtlich einen politischen Hintergrund hat, auf diese Art etwas seltsam. Die wiederholte Aufforderung des Themenerstellers dass „alle anderen“ etwas Tiefsinniges zu „seinem“ Thema zu schreiben hätten, steht in auffälligem Kontrast zur eigenen Meinungslosigkeit. Was findet denn der TE „interessant“ und warum? Was möchte er zur Diskussion stellen?

Was das Thema Musik angeht, hatten auch alle nichtjüdischen Künstler aller anderen Kunstsparten, die während der Nazizeit in Deutschland geblieben waren, ihre „Konformität“ zu zeigen. Dann konnten sie allerdings das erwarten, was man heute als „Wettbewerbsvorteil“ bezeichnen würde. Jetzt ist ja die ausschließliche Beschäftigung mit Musik, die auf jeden Fall älter als 100 Jahre sein muss, schon ein seltsames Phänomen unserer Zeit. Man könnte daher schon annehmen, dass Menschen, die ihr Herz an Barockmusik oder die Wiener Klassik verloren haben, für konservative oder rückwärts gewandte Anschauungen offen sind. Während ansonsten in der klassischen Musik jedes biografische Detail eine Komponisten/Dirigenten/Virtuosen bei der Beurteilung eines Werks/einer Aufführung herangezogen wird, bleibt die politische und gesellschaftliche Situation meist unterbelichtet.

Ich behaupte mal Klassikhörer haben ein konservatives Gesellschaftsbild, obwohl sie sich selbst eher als Schöngeist empfinden. Das erleichtert manchen Einzelpersonen, sich auch mit diktatorischen Regimen aus einer elitären Nische heraus, sozusagen herablassend, zu arrangieren – und feiern zu lassen.

So sehe ich das auch bei Karajan und Furtwängler.

Gruß
Rainer
Hüb'
Moderator
#21 erstellt: 07. Mai 2024, 13:21

flexiJazzfan (Beitrag #20) schrieb:
Ich behaupte mal Klassikhörer haben ein konservatives Gesellschaftsbild, obwohl sie sich selbst eher als Schöngeist empfinden. Das erleichtert manchen Einzelpersonen, sich auch mit diktatorischen Regimen aus einer elitären Nische heraus, sozusagen herablassend, zu arrangieren – und feiern zu lassen.

Sehr steile These - und - wie jede Verallgemeinerung - natürlich Unfug.

Es wurde bereits auf den fiktionalen Plot des Films verwiesen, so dass man eigentlich auch nur diesen (also den Film, als Fiktion) diskutieren kann.

Allgemein-politische Betrachtungen müssen bitte unterbleiben, da diese den Forenregeln zuwider laufen. Ich bitte um Beachtung.

Viele Grüße
Frank


[Beitrag von Hüb' am 07. Mai 2024, 13:26 bearbeitet]
flexiJazzfan
Inventar
#22 erstellt: 07. Mai 2024, 22:32
Mit der formalistischen Kritik und Zurechtweisung des Moderators werde ich mich nicht weiter beschäftigen.

Also dann zum Fiktionalen!
Das Bühnenstück stammt von 95, der Film von 2001. In dieser Zeit habe ich ihn auch gesehen. Nach der radikalen Abrechnung der revolutionären Jugend der 70er Jahre mit der bürgerlichen Kultur und insbesondere mit der Heroisierung der Klassischen Musik durch die Nazis, zeigt dieser Film über Furtwängler in seinem filmischen Anlage eine andere Botschaft. Die Realität war die Arbeit Furtwänglers mit und für die Größen des Nationalsozialismus, während seine großen Konkurrenten Bruno Walter und Otto Klemperer bereits vertrieben waren. Die Realität war auch der Prozess der Alliierten gegen Furtwängler.

Der Film stellt diesen Mann dagegen als jemanden dar, der mit großer Integrität sich „der Kunst“ um ihrer selbst willen gewidmet hat und eben die Politik widerwillig quasi hingenommen hat. Die Figuren des Films bewundern ihn deswegen, mit Ausnahme des Anklägers. Dieser wird jedoch als Kunstbanause und unsympathischer moralischer Eiferer gezeichnet. Seine „Siegerjustiz“ wird sogar auf ähnliche Stufe gestellt wie die Willkürjustiz der Nazis, was für die realen Prozesse eigentlich so nicht überliefert ist.
Die Fiktion beschwört so das Bild einer Kunst, in diesem Fall der Klassischen Musik, als über der Zeit stehend, auch als übermenschlich. Kann es irgendwie unmoralisch sein, dieser Kunst zu dienen? Die Antwort wird als individuelle Entscheidung des Kunstschaffenden gesehen, die zu kritisieren niemand berechtigt ist. Ob das wirklich in Realität die Einstellung von Furtwängler war, kann ich nicht beurteilen.

Gruß
Rainer
Martin2
Inventar
#23 erstellt: 08. Mai 2024, 14:00

Hüb' (Beitrag #21) schrieb:

Allgemein-politische Betrachtungen müssen bitte unterbleiben, da diese den Forenregeln zuwider laufen. Ich bitte um Beachtung.


:prost


Hallo Frank,

dazu wollte ich jetzt doch mal Stellung nehmen. Frank, das erstaunliche ist ja, daß ich jetzt seit 15 Jahren oder länger hier schreibe, aber von dieser Regel noch nie gehört habe. Nun, warum habe ich von dieser Regel noch nie gehört? Nun gut, der Hauptgrund ist, daß ich selber noch nie in Konflikt mit dieser Regel gekommen bin und da ich noch nie mit dieser Regel in Konflikt kam, wußte ich auch nichts von ihr. Ich habe es aber bisher auch nicht erlebt, daß andere mit ihr in Konflikt kamen. Der Grund liegt aber meiner Meinung nach auch darin, daß die allermeisten Klassikliebhaber, die hier schreiben, sicherlich keine große Lust haben, platte politische Diskussionen zu führen, denn die passen hier auch nicht hin und es gibt genügend andere Orte, wo man sie führen kann. Die Sache ist natürlich nur die, daß es in Bezug auf das, was man mit Politik nennt, ja auch verschiedene Ebenen gibt. Das heißt, platte politische Diskussionen passen hier wirklich nicht hin, aber es gibt gewissermaßen in Bezug auf Politk so etwas wie eine platte politische Ebene und dann gibt es vielleicht auch so etwas wie eine Metaebene, über die man auch über Politik reden kann und auch muß. Und das betrifft ja auch den Fall Furtwängler. Nur, wenn das halt nicht erwünscht ist, nehme ich das zur Kenntnis, werde ich mich daran auch halten, aber ich muß es nicht richtig finden.


Gruß
Martin
Hüb'
Moderator
#24 erstellt: 08. Mai 2024, 14:49
Daher (etwas versteckt) schrieb ich ja oben "Allgemein-politische Betrachtungen" - andernfalls wäre ein Thema zum Verhalten Furtwänglers oder einem Film darüber per se unzulässig. Man könnte (dürfte) hier im Forum nicht darüber diskutieren.

Die Erfahrung zeigt allerdings, dass konkrete Diskussionen, wie hier um den Künstler Furtwängler und die Umstände seiner Handlungen, schnell ins Allgemeine abdriften können. Deshalb der präventiv erhobene Zeigefinger.



[Beitrag von Hüb' am 08. Mai 2024, 14:57 bearbeitet]
flexiJazzfan
Inventar
#25 erstellt: 08. Mai 2024, 16:45
Ich verstehe ja, was von der Moderation gemeint ist und auch was mit „platter“ politischer Diskussion gemeint ist.

Eigentlich gehört dieser Film doch, wie auch schon „Mephisto“ , zur sogenannten Aufarbeitung der Geschichte, hier im Besonderen zum Kulturbereich und der Rolle der handelnden Personen. Man könnte also eigentlich entspannt über die Vergangenheit diskutieren … .

Um es gleich vorweg anzusprechen: Ich bin Anhänger einer Kunstauffassung in der die Kunst für sich steht oder wie es Cezanne für die bildende Kunst gesagt haben soll: „Kunst ist eine Harmonie parallel zur Natur“. Insofern sind für mich Kunstwerke interpretationsoffen. Die Art wie klassische Komponisten wie z.B. Beethoven oder Wagner quasi an den Haaren von einem Altar zum anderen geschleppt werden, finde ich persönlich unausstehlich. Die einen bewundern den „Revolutionär“ , den „Erneuerer“, die anderen sehen die Zwiesprache mit Gott : „in diesem Takt stellt er die Frage an Gott“ , wieder andere vergöttern den „Titan“, der ein „unsterbliches“ Werk schafft, die Nazis sahen „nordischen“ Tiefsinn und innere „teutonische“ Kraft, an der die Welt genesen sollte.
Wen wundert es, wenn alle, die im Dunstkreis dieser Erhabenheit musizieren, dirigieren, oder auch nur zuhören, sich schon etwas der „platten“ Probleme des Alltags enthoben fühlen. War es das, was Furtwängler fühlte als er vor der Versammlung der ganzen uniformierten Verbrecher Beethovens 9. Sinfonie dirigierte? Fühlte er sich als Hohepriester einer zeitlosen Kunst oder zelebrierte er arische Götterfunken?
Der Film unterstellt, dass er sich unwohl gefühlt haben könnte.

Gruß
Rainer
Klassik_Fan
Stammgast
#26 erstellt: 08. Mai 2024, 17:17
Hallo zusammen,

ich bin sehr dankbar für den Hnweis von Frank, denn die Erfahrungen aus anderen Threads, (zum Beispiel Mahler GA) zeigen, dass die Diskussion schnell ausartet und ein Niveau anbnehmen, das meines Erachtens nicht tragbar ist.


ch behaupte mal Klassikhörer haben ein konservatives Gesellschaftsbild, obwohl sie sich selbst eher als Schöngeist empfinden. Das erleichtert manchen Einzelpersonen, sich auch mit diktatorischen Regimen aus einer elitären Nische heraus, sozusagen herablassend, zu arrangieren – und feiern zu lassen.


Solche Beiträge finde ich, gelinde gesagt, wenig hilfreich und möchte die Diskussion eigentlich verlassen.

Da es aber dazu einen weiteren Beitrag mit zumindest dem Versuch einer Versachlichung gegeben hat, möchte ich eigentlich doch darauf eingehen.


Wenn man nicht in der Zeit gelebt hat, ist es schwierig, über Handlungsweisen zu urteilen, die man unter den heutigen Umständen vielleicht nicht mehr nachvollziehen kann. Man sollte jedenfalls nicht vorschnell ein Urteil fällen.

Im Film wurden weitere Details angesprochen, die Rainer nicht erwähnt haben, aber durchaus der Realität entsprechen: Mehrere jüdische Künstler insbesodere der große Geiger Yehudi Menuhin, aber auch Paul Hindemith und der ehemalige Konzertmeister der Berliner Philharmoniker haben sich vehement für Furtwängler eingesetzt.

Mehr möchte ich an dieser Stelle nicht ausführen.

Die Rivalität und der Konkurrenzkampf unter den großen Dirigenten, z.B. Furtwängler versus Karajan) ist kein Alleinstellungsmerkmal von Furtwängler.
Sehr interessant: "Der Mythos vom Maestro " von Norman Lebrecht, der das Leben und Wirken vieler großen Dirigenten in einem anderen Licht erscheinen lässt.


Vielleicht sollten wir den Thread beschließen

Viele Grüße

Harry
flexiJazzfan
Inventar
#27 erstellt: 08. Mai 2024, 20:57
Genau das ist es, was ich meinte.

Gruß
Rainer
Klassik_Fan
Stammgast
#28 erstellt: 08. Mai 2024, 22:14
Hallo zusammen,

trotzdem finde ich es sehr bedauerlich, ja bedenklich, wenn man wegen Verrohung der Diskussionskultur gewisse Themen nicht mehr ansprechen geschweige denn diskuteren kann.



Viele Grüße

Harry
Martin2
Inventar
#29 erstellt: 08. Mai 2024, 22:22
Na ja, ich denke, die Auffassung, daß Klassikliebhaber ein konservatives Geschichtsbild hätten und daß Furtwänglers Verhalten damit in Verbindung zu bringen sei, worauf sich Franks Rüge ja wohl bezog, halte ich auch für mehr als fragwürdig. Warum bitteschön haben Klassikhörer ein konservatives Geschichtsbild, das ist doch einfach Unsinn.


ich bin sehr dankbar für den Hnweis von Frank, denn die Erfahrungen aus anderen Threads, (zum Beispiel Mahler GA) zeigen, dass die Diskussion schnell ausartet und ein Niveau anbnehmen, das meines Erachtens nicht tragbar is


Gut, das kann auch sein, ich habe das Forum in den letzten Jahren auch nicht immer intensiv verfolgt. Vielleicht ist es auch besser, Dinge, die sich in eine unangenehme Richtung entwickeln könnten, gleich im Keim zu ersticken. So gesehen mag Frank dann wieder Recht haben. Auf der anderen Seite muß ich sagen, daß ich gelegentliche Ausartungen und Abschweifungen in der Diskussion nicht so schlimm finde. Was allerdings nicht hin zu nehmen sind, sind permanente Sticheleien, Beleidigungen usw. Da muß die Moderation eindeutig einschreiten oder sogar jemand des Forums verweisen.
Martin2
Inventar
#30 erstellt: 08. Mai 2024, 22:34

Klassik_Fan (Beitrag #28) schrieb:

trotzdem finde ich es sehr bedauerlich, ja bedenklich, wenn man wegen Verrohung der Diskussionskultur gewisse Themen nicht mehr ansprechen geschweige denn diskuteren kann.


Ja, und das sehe ich eben ganz genauso. Warum sollen bitteschön Menschen, die in der Lage sind über jedes Thema zivilisiert zu diskutieren, jetzt nicht mehr darüber diskutieren, nur weil es andere gibt, die das nicht können, und aus einer Haltung der Intoleranz heraus auch gar nicht wollen. Das hießt doch auch vor einem gewissen Zeitgeist auch zu kapitulieren. Wobei die Diskussionen vor 20 Jahren auch nicht immer in der sanftesten Weise geführt wurden, aber es hat sie gegeben und ich fand es auch gut, daß es sie gegeben hat. Und im allgemeinen ist dieses Forum doch eine Oase des kultivierten Gesprächs und das braucht eigentlich keine solchen Rücksichtnahmen. In Frage gestellt würde das doch hier nur von einer Minderheit oder einzelnen, ini der bösen Welt da draußen sieht das sicherlich anders aus. Man kann es auch anders sagen: Wenn es nicht mal hier möglich ist, einen gesitteten, aber offenen Diskurs zu führen, wo denn bitteschön sonst?.
flexiJazzfan
Inventar
#31 erstellt: 09. Mai 2024, 12:27
Nachdem die etwas ermüdenden Apelle zur Erhaltung des „Niveaus“ in der "Oase" jetzt abgeebbt sind, möchte ich doch dem Missverständnis entgegentreten („Stab über die Person brechen“, „da muss ich mir mal die Biographie kaufen“, „Hindemith hat ihn auch verteidigt“, „Alleinstellungsmerkmal von Furtwängler“), dass es hier um Details der Biographie von Furtwängler gehe. Auch wenn der Titel : „Taking Sides …“ d.h. „Stellung beziehen“ vergleichsweise harmlos daherkommt, geht es um nichts geringeres als den „Handschlag mit dem Teufel“ . War es bei Dr. Faustus noch der Frust der Kopfarbeit gegen die Lust etwas weiter unten, so bewegen wir uns hier auf erkennbar anderem (höherem?) Niveau.

Wer darüber diskutieren möchte, stochert allerdings in einem längst erloschenen Feuer. Leben wir doch ganz gut mit einer Europahymne für deren Arrangement der Beethovensymphonie und Textbearbeitung Schillers ein ehemaliges NSDAP Parteimitglied gezeichnet hat.

Es gibt Künstler, die heutzutage Stellung beziehen, Barenboim und Levit wurden schon genannt. Es gibt andere wie Currentzis und Netrebko, die es nicht tun. Wird die Musik oder unsere Musikwahrnehmung davon berührt?


Gruß
Rainer
flexiJazzfan
Inventar
#32 erstellt: 09. Mai 2024, 12:58
Da meine Meinung über die konservative Grundstruktur von Klassikhörern hier schlichtweg mit „Unfug“ und „Unsinn“ durchaus niveauvoll beantwortet wurde, hier eine nicht mehr ganz junge Untersuchung der ARD: https://www.ard-medi...06/05-2006_Mende.pdf .
Ich kommentiere das nicht, empfehle aber die Lektüre.

Gruß
Rainer
Martin2
Inventar
#33 erstellt: 09. Mai 2024, 15:30
Also ich habe selber einen guten Freund, der begeisterter Klassikliebhaber ist und regelmäßig die Partei die Linke wählt. Ist das atypisch? Ach was. Sind Klassikliebhaber also konservativ? Na ja, in Bezug auf das, was sie lieben, sind sie sicherlich konservativ, aber das ist ja wohl selbstverständlich. In Bezug auf Furtwängler oder ähnliche Fälle muß man aber eines sagen. Es hat auch eine schreickliche Dikatatur in der Sowjetunion gegeben, später auch im Warschauer Pakt. Das war eine erklärternaßen linke, also nicht konservative Diktatur. Und haben sich die Musiker und Komponisten der angepaßt und damit auch Verbrechen mitgetragen? Ja natürlich. Die Untersuchung, die verrlinkt wurde, habe ich überfolgen, schlau gworden bin ich aus ihr nicht.
Klassik_Fan
Stammgast
#34 erstellt: 09. Mai 2024, 17:38
Hallo flexiJazzfan,


Nachdem die etwas ermüdenden Apelle zur Erhaltung des „Niveaus“ in der "Oase" jetzt abgeebbt sind


Genau so etwas habe ich erwartet, deshalb habe ich gezögert zu antworten.
Auch Deine weiteren Ausführungen überraschen mich nicht. Nach Deinem ersten Beitrag


Ich behaupte mal Klassikhörer haben ein konservatives Gesellschaftsbild, obwohl sie sich selbst eher als Schöngeist empfinden.

hatte ich so et3was fast vermutet. Deine Aussagen zeigen, dass Du ein festes Urteil hast, an dem nicht gerüttelt werden darf.
Diskussion unerwünscht, alles was dagegen spricht wird dann durch Plattitüden abgewürgt.

Dann belassen wir es dabei, mit Dir halte ich eine Diskussion schlicht für sinnlos.

@Martin :

Warum sollen bitteschön Menschen, die in der Lage sind über jedes Thema zivilisiert zu diskutieren, jetzt nicht mehr darüber diskutieren, nur weil es andere gibt, die das nicht können, und aus einer Haltung der Intoleranz heraus auch gar nicht wollen. Das hießt doch auch vor einem gewissen Zeitgeist auch zu kapitulieren.


Ich finde Deinen Beitrag sehr interessant. Du hast ja in all den Jahren Dich immer bemüht, zielführende Diskussionen über Musik zu starten und in Gang zu bringen. Ich würde Dich gerne per PN anschreiben.


Viele Grüße

Harry
Hüb'
Moderator
#35 erstellt: 09. Mai 2024, 17:40

flexiJazzfan (Beitrag #32) schrieb:
Da meine Meinung über die konservative Grundstruktur von Klassikhörern hier schlichtweg mit „Unfug“ und „Unsinn“ durchaus niveauvoll beantwortet wurde, hier eine nicht mehr ganz junge Untersuchung der ARD: https://www.ard-medi...06/05-2006_Mende.pdf .
Ich kommentiere das nicht, empfehle aber die Lektüre.

Die Studie macht keine Aussagen zu politischen oder gesellschaftlichen Werten oder Haltungen der Befragten in Korrelation zum Musikgeschmack.
Diesbezüglich bleibt deine Aussage weiterhin nur eine Behauptung und persönliche Wahrnehmung.

Die Korrelation mag allerdings allein über das Alter möglich sein, denn das Wahlverhalten ist im Alter mW konservativer. Ebenso, wie das Klassikpublikum eher älter sein dürfte.
flexiJazzfan
Inventar
#36 erstellt: 09. Mai 2024, 21:20
Selbstverständlich ist meine Aussage eine „Behauptung“ und beruht auf „persönlicher Wahrnehmung“ . Als solche stelle ich sie zur Diskussion und Selbstreflexion.
Sie ist wie alle Aussagen aus persönlicher Erfahrung und alle Aussagen, die den Menschen betreffen, bestenfalls eine statistische Aussage. Deshalb kann auch sie nicht durch Einzelbeobachtungen generell widerlegt werden. Selbst die Aussage: Autos haben vier Räder, ist auch dann kein „Unfug“, wenn ein Schlaumeier bemerkt, dass es Autos mit 3 Rädern gibt.

Die verlinkte Studie der ARD ist natürlich marketingorientiert und forscht nach Vorlieben und Kompetenzen von Musikhörern. Die ältere Bevölkerungsgruppe, die auf Grund ihrer Sozialisierung noch vermehrt mit klassischer Musik in Berührung kam, wird dort als „traditionell-orientiert“ bezeichnet. Das ist im gewissen Sinn tautologisch, da ja die Klassische Musik im engeren Sinne eben historisch ist.

Ebenso wird ja noch in „E“ und „U“Musik unterschieden, was im Falle der E-Musik auch die Moderne und die zeitgenössische Musik einbezieht. Die Zeitbezogenheit der Musik wird als Kategorie überhaupt nicht einbezogen, sondern Musik offenbar als „zeitlos“ angesehen. Das macht die Studie selbst als Vorhersageinstrument nicht sehr aussagefähig, denn sie ist eine Momentaufnahme.

Mich hat vor allem überrascht, dass junge Menschen, die keine E-Musik hören, offenbar keine Vorbehalte oder Vorurteile gegenüber E-Musik haben , sondern sich schlichtweg als „überholt“ und nicht zu ihrer Lebenswirklichkeit gehörig betrachten. Umgekehrt scheint mir die Einschätzung von Klassikliebhabern gegenüber anderen Musikformen eher vorurteilsbelastet bis feindselig. Als bekennender Jazzliebhaber ist mir auch die abschätzige Haltung von klassisch ausgebildeten Musikern gegenüber Jazz persönlich bekannt – obwohl diese Musiker nicht eine einzige Jazzphrase selbst richtig spielen könnten.
Können wir damit umgehen, dass es eine Generation gibt, die die klassische Musik nur als Zeiterscheinung einordnet – ohne Ewigkeitswert, ohne höhere Weihen?

Gruß
Rainer
Martin2
Inventar
#37 erstellt: 09. Mai 2024, 23:03
Hallo Rainer,

was mich mal an Dir interessieren würde, wäre, wie alt Du eigentlich bist. Ich bin 62,


Können wir damit umgehen, dass es eine Generation gibt, die die klassische Musik nur als Zeiterscheinung einordnet – ohne Ewigkeitswert, ohne höhere Weihen?


So, auf diesen Satz will ich jetzt mal eingehen. Dazu sage ich zunächst einmal folgendes: Diese angebliche Generation, von der Du redest, gibt es in Wahrheit überhaupt nicht. Das heißt, es gibt mit Sicherheit auch heute junge Leute, für die Beethoven eine Musik von Ewigkeitswert ist, umgekehrt hat es auch vor 40 Jahren schon viele junge Leute gegeben, für die das durchaus nicht so war. Die Dominanz der sogenannte Popukultur ist uralt, sie war schon zu Zeiten des Rock'n Roll da, wenn nicht sogar früher, Swing usw.

Was ich einfach bemerkenswert finde, ist, daß man als Mensch einer älteren Generation, was ich ja mittlerweile bin, von jüngeren Menschen wahrgenommen wird, als sei man ein Mensch des 17 Jahrhunders. Und das verstehe ich jetzt nicht ganz. Tatsache ist, die meisten Menschen meiner Generation haben durchaus keine klassische Musik gehört, sondern die Beatles oder Rolling Stones, und dann kommt hinzu, daß die Menschen meiner Generation, die klassische Musik gehört haben, oft eine Offenheit für Populärmusik gehabt haben, die auch außerordentlich war. Du breitest hier also nicht nur Klischees aus, sondern Deine Klischees haben mit der Realität auch nicht das geringste zu tun, sie sind völlig falsch.

Gruß
Martin
flexiJazzfan
Inventar
#38 erstellt: 10. Mai 2024, 16:40
Hallo Martin, lohnt es sich wirklich, dass du dich an mir abarbeitest? Was hilft es dir, wenn ich eröffne, dass ich ein ganzes Stück älter bin?

Dir ist vielleicht entgangen, dass ich mich mit meiner Frage auf die Umfrage (über 6000 Teilnehmer) in der zitierten ARD Studie beziehe. Ich habe ausdrücklich geschrieben, dass mich dieses Teilergebnis der Studie „erstaunt“ hat. Und ich habe ebenfalls betont, dass ich nicht weiß, wie sich das bis zum heutigen Zeitpunkt entwickelt haben könnte. Es gibt also gar keinen Grund mir vorzuwerfen es gäbe etwas gar nicht, was letztlich aber das Ergebnis einer Umfrage (unter der damaligen Generationsverteilung) war. Deine Art sofort „ad hominem“ zu reagieren: „ du breitest hier Klischees aus …“ ist das Gegenteil von dem Diskussionsstil, der hier angemahnt wurde.

Trotzdem möchte ich zurück zu dem Anlass für meine Bemerkungen kommen. In dem Film geht es ja auch darum, dass ein Mensch um der Pflege der Kunst und der Weiterverbreitung der Kunst persönliche Opfer gebracht hat/haben könnte und möglicherweise in schwerer Gewissennot gehandelt hat. Menschen von heute, nenne ich sie verallgemeinernd, die mit der „Größe“ dieses Kunstbegriffs gar nichts anfangen können und die perfide Instrumentalisierung der klassischen Musik in der NS Zeit nicht begreifen, können den Gegenstand dieses Films ja gar nicht verstehen. Sie sehen nur den Plot in dem ein verbissener Ermittler einen Nazi „überführen“ will, der offenbar keiner ist. Was läuft da schief?

Wenn ich an Barockmusik denke, denke ich auch oft an das Bild des Flöte spielenden Friedrich, (https://www.alamy.de/fotos-bilder/menzel-sanssouci.html?sortBy=relevant ) , in nobler Umgebung und erlesener Gesellschaft. Kann man heute noch ernsthaft für und in dieser Musik leben, mag sich mancher denken. Ich kann es nachvollziehen.

Gruß
Rainer
Martin2
Inventar
#39 erstellt: 10. Mai 2024, 18:18
Hallo Rainer,

ich denke nicht, daß ich hier explizit "ad hominem" argumentiert habe. Was die Vergangenheit anbetrifft, so sind Monarchien und Aristorkratien für die Menschen des 18. und 19. Jahrhunderts selbstverständliche Realitäten gewesen. Die französische Revolution war nur eine vorübergehende Änderung, mit der Beethoven in besonderer Weise sympathisierte, was ja auch bekannt ist.

Ansonsten ist es so: Jeder soll die Musik hören, die er mag und die ihm gefällt. Was ich allerdings ablehne, ist irgendeine Musik für "überrholt" zu halten. Warum nicht? Na ja, überholt ist vielleicht ein Computer von 1980, aber nicht ernsthaft Musik. Ist das übrigens ein besonderer Standpunkt von Klassikliebhabern? Nein, das ist es nicht, weil ich auch eine Ader für Populärmusik habe, die kann aber mit einem gewissen zeitlichen Abstand genauso als überholt gelten. Es gibt durchaus klasssiche Musik, die jüngeren Datums ist, wie zum Beispiel die von John Adams, wie es auch ältere Populärmusik gibt, die ich auch gerne höre, zum Beispiel Benny Goodman. Isf nun das Carnegie Hall Konzert von Benny Goodman von 1938 von John Adams "überholt" worden? Ach was, das ist doch Unsinn.

Also ich sage noch mal, ich bin jemand, der gelegentlich auch gerne ältere Populärmusik hört, auch solche, die weit vor meiner Geburt liegt. Und ich lehne es in dem Bereich genauso ab, etwas als "überholt" zu sehen, wie bei der klassischen Musik. Musik ist letzlich ein Ausdruck von Expressivität von Menschen, dahingehend natürlich zutiefst human und in ihrer Humanität auch nicht mit technischen Begriffen wie "Überholtheit" zu erfassen. Das gilt aber nicht nur für die klassische Musik, das gilt für die Populärmusik genauso.

Was im übrigen den Bereich der klassischen Musik anbetrifft, kann man gewisses millieuhaftes Verhalten auch kritisch sehen. Da könnten Du und ich sich sicherlich auch annähern. Das heißt, es gibt ein gewisses Pathos des 19. Jahrhunderts, das sich ein bißchen in die Klassikszene von heute auch tradiert hat, was man auch kritisch sehen kann. Der Begriff "Unsterblichkeit" hat etwa im 19. Jahrhundert ausgesprochen floriert und am Ende wollte jeder "unsterblich" sein und unsterbliche Musik und unsterbliche Bücher schreiben. Das kann man in der Tat kritisch sehen. Aber es ist eigentlich egal, ob ich Beethoven als einen "Unsterblichen" sehe, wie es dem Pathos des 19. Jahrhunderts entspricht, oder ob ich in größter Nüchternheit einfach nur sage, daß Beethoven qualitativ sehr hochwertige Musik komponiert hat, die wir heute zum prominenteren Teil der Musikgeschichte zählen.

Was aber diese Umfrage betrifft, habe ich keine Lust, mich mit der im Detail zu beschäftigen. Im Grunde machen solche Umfragen doch nichts anderes, als das Geschwätz der Leute statistisch zu erfassen und was bitteschön interessiert mich das Geschwätz der Leute.


Gruß
Martin .


[Beitrag von Martin2 am 10. Mai 2024, 21:01 bearbeitet]
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